Einsamkeit

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Einsamkeit






Vereinsamung






Allein Sein






Isolation






… Wege aus der Vereinsamung

„Der Mond bei Nacht ist oft mein bester Freund“

dunkel
nur der Mond, sein sanftes Licht
darunter all die tausend Lichter der Stadt in verschiedenen Farben
eine Frau am offenen Fenster

wohin schaut sie? lächelt sie? weint sie?
ihre Fragen in die Nacht gefragt, ihre Wünsche in den Wind gelegt,

es gab Singen, Tanzen, Feiern
es gab eine Wandergruppe, einen Leseclub, ein Kaffeekränzchen
es gab Enkel, die fröhlich Mensch ärgere dich nicht spielten

Mensch, ärgere dich nicht, denkt sie
was war, das war - und was ist, das ist.
was wird sein?

die Nacht gibt keine Antwort und der Wind hat die Wünsche mitgenommen.
nur der Mond steht da, heute mehr halb als gestern und übernächste Woche schon wieder
weniger
ab und dunkel und zu und voll und wieder von vorne
einen Tag älter, und doch immer neu, und niemals wieder der alte

so wie ich, denkt sie
so wie ich…

Andrea Wild


Das Thema „Vereinsamung“ in der Pflegesituation ist oft ein schleichender Prozess. Einsamkeit ist kein Zustand, sondern ein Gefühl, das entsteht, wenn ein Mensch sich ungewünscht allein gelassen erlebt. Dieses Gefühl ist ein wichtiges Zeichen für eine notwendige Veränderung. Fühlen Sie sich manchmal nicht mehr gut mit sich allein, sondern verloren einsam? Haben Sie öfter ein Gefühl von Verlassenheit, Einsamkeit, Verlorenheit? Sind Ihre Kontakte zu anderen Menschen immer weniger geworden? Lesen Sie hier, wie das Gefühl von Einsamkeit im Zusammenhang mit der Pflegesituation entstehen kann und schauen Sie, was davon auf Sie zutrifft.

Gefangen im Rückzug?

Pflegende und Pflegebedürftige machen durch ihre veränderte Lebenssituation individuelle Erfahrungen mit Vereinsamung und Einsamkeit. Manche ehemals gute Bekannte oder Freunde, manchmal auch Personen aus dem engeren oder erweiterten Familienkreis, frühere Kolleginnen und Kollegen, Sportkameradschaften, Freizeitkontakte … sie ziehen sich zurück, vermeiden Begegnungen. Manchmal sind auch die Betroffenen selbst es, die sich zurückziehen. Gründe dafür sind auf beiden Seiten oft Unsicherheit, Scham, Angst … und bei den Betroffenen kommt der Faktor der zeitlichen und körperlichen Überforderung aufgrund der Pflege- und Betreuungsaufgaben dazu.

Pflegende Angehörige übernehmen für die zu Pflegenden nicht nur alle bekannten Pflege- und Betreuungs-Aufgaben, sondern darüber hinaus leisten sie so ganz nebenbei auch den Löwenanteil an Zuwendung, Gesprächen, Miteinander – kurz: sie übernehmen zusätzlich zu allen anderen Aufgaben auch die Kompensation von Vereinsamung. Manchmal sind sie der einzige verbliebene Sozialkontakt für den pflegebedürftigen Menschen.

Pflegende Angehörige sind genau dadurch aber auch selbst von Einsamkeit, Vereinsamung, Isolation betroffen, weil sie zunehmend auf den zu pflegenden Menschen ausgerichtet sind und mit wenig oder gar keine Zeit mehr für eigene Kontakte bleibt.

Haben Sie die Erfahrung gemacht, dass die Menschen aus Ihrem Umfeld sich nach Eintreten Ihrer Pflegesituation zurückgezogen haben? Oder haben Sie selbst sich von Ihren Kontakten entfernt?

Nun könnte man anführen, dass die pflegende und die pflegebedürftige Person ja miteinander eine Gemeinschaft bilden und somit beide nicht allein sind. Dabei würde jedoch außer Acht bleiben, dass sowohl pflegende als auch pflegebedürftige Angehörige in ihrem auf Grundlage von pflege-praktischen und bedürfnisorientierten Aspekten geschaffenem Raum miteinander vereinsamen, weil sie mehr und mehr oder auch ausschließlich auf ihre kleine Zweckgemeinschaft ausgerichtet und angewiesen sind. Natürlich besteht in der Regel auch eine persönliche Bindung aufgrund von Familienangehörigkeit, Freundschaft oder Beziehung – jedoch dringen die durch die Pflege bedingten Tätigkeiten und Verrichtungen mit abnehmenden eigenen Fähigkeiten der Pflegebedürftigen immer mehr in den Vordergrund, bestimmen oft den Alltag beider in erheblichem Umfang und können die ursprünglich bestehende Beziehung überlagern.

So entwickelt sich ein schleichender Prozess, der zunächst Auswirkungen auf den pflegebedürftigen Partner hat, der seine Sozialkontakte nicht mehr wahrnehmen kann.

Mit zunehmender Hilfebedürftigkeit wird auch die pflegende Partnerin Unternehmungen und Termine absagen oder gar nicht erst vereinbaren, weil die Versorgung - und die anfallenden Aufgaben für den anderen mit übernehmen zu müssen - die ganze Kraft und Zeit fordern. Auch für Pflegeverhältnisse im Vater-/Mutter-Tochter- oder Vater-/Mutter-Sohn-Kontakt kann diese schleichende Isolation sich entwickeln, wenn die Tochter oder der Sohn keine eigene Familie oder Beziehung hat.

„Zusammen ist man weniger allein“ – dieser Satz gilt zwar weiterhin – doch die Zweisamkeit ist keine frei gewählte mehr, sondern zunehmend ein Aufeinander-Angewiesen-Sein in einem von Außenkontakten immer weniger genährten Raum.

Trifft hiervon etwas auf Sie und Ihre Pflegesituation zu? Sind Sie als pflegende oder als pflegebedürftige Person betroffen? Fühlen Sie sich manchmal einsam? Merken Sie, dass Ihnen die Kontakte zu anderen Menschen fehlen? Was genau fehlt Ihnen – schreiben Sie es auf. Lassen Sie genug Platz, damit Sie es ergänzen können, wenn Ihnen dazu noch etwas einfällt.

Weg aus der Einsamkeits-Falle

Was können Pflegende tun, um Einsamkeit und Vereinsamung zu begegnen?
Was können Pflegebedürftige tun, um Einsamkeit und Vereinsamung zu begegnen?

Ganz bewusst stehen diese beiden Fragen nebeneinander, weil die Antwort darauf in der jeweiligen Verantwortung beider Betroffener liegt, weil es die eigene Entscheidung ist, die immer wieder jeder und jede für sich jeden Tag selbst treffen kann und sollte. Es geht zum einen um die Kontakte des pflegebedürftigen Menschen, zum anderen um die Kontakte des oder der pflegenden Angehörigen.

Pflegebedürftige müssen nicht die Verantwortung für ihre Sozialkontakte an ihre pflegenden Angehörigen abgeben. Sie dürfen selbst über ihre Kontakte entscheiden und können dabei unterstützt werden, andere einzuladen, persönlich oder telefonisch oder schriftlich in Verbindung zu bleiben. Vielleicht braucht es hierzu die Anregung und immer wieder Impulse, die pflegende Angehörige hierzu leisten müssen – doch es lohnt sich für alle Beteiligten und kann wesentlich dazu beitragen, dass Lebensfreude und Zufriedenheit, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gestärkt werden.

Welche Kontakte kann man aktivieren? Wer ist da – aus dem „normalen“ Leben, alte Kollegen, Freunde, Bekannte, Nachbarn, Sportkameraden … welche Familienmitglieder? Welche neuen Bekanntschaften stehen eventuell bereit?

Machen Sie eine Liste, in der sie alle Personen aufführen, die Ihnen einfallen. Diese Liste können Sie immer wieder erweitern, es ist eine mit Ihnen wachsende Ressource.

Fragen Sie Ihre pflegebedürftige Person: Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Ja, aber …! Das geht doch nach so langer Zeit nicht. Da weiß ich gar nicht, was ich dem sagen soll. Der hat bestimmt keine Lust. Da geniere ich mich. Da habe ich Sorge, ich genüge nicht mehr. Da möchte ich mich so nicht zeigen. Der soll mich so nicht sehen. Ich kann doch gar nichts mehr, was soll die schon bei mir wollen! Die hat sowieso keine Zeit. Die muss doch selbst ihre Arbeit machen. Die redet mir immer schon zu viel. Das strengt mich nur an. Das wird bestimmt nicht gut. Wir wissen doch gar nichts mehr voneinander.

Kennen Sie solche Aussagen? Wie sind Ihre eigenen Worte? Was fällt Ihnen ein, was alles hinderlich wäre, andere Menschen zu treffen? Schreiben Sie es auf – und dann schauen Sie sich die Sätze genau an. Welche Gründe stecken dahinter?

Das kann endlos so weiter gehen, sich im Kreis drehen. Oft ist es hilfreich, zu fragen: Was kann denn schlimmstenfalls passieren, wenn angefragt wird, ob jemand einer Einladung nachkommen möchte?

Im schlimmsten Fall reagiert die Person ablehnend und kommt nicht. Dann gibt es bestimmt noch eine weitere Person auf Ihrer Liste.

Im zweitschlimmsten Fall sagt die Person zu, kommt aber nicht – doch wenn man diese Möglichkeit zunächst einmal mit einrechnet, kann die Enttäuschung nicht zu übermächtig werden.

Im drittschlimmsten Fall würde jemand gern ablehnen, kommt aber höflicherweise trotzdem und es wird vielleicht eine schwierige und unbefriedigende Begegnung – doch es besteht immer auch die Chance, dass es doch für alle Beteiligten ein schönes Treffen wird und ein Kontakt wieder- oder neu belebt werden konnte.

Oft ist es auch ein kategorisches „Nein, will ich nicht!“ Dahinter kann mehr als ein sturer, eigen-sinniger Eigenbrötler stecken, und es ist wichtig, sich klar zu machen, dass solch eine Haltung ein tieferes Gefühl wie Angst vor Ablehnung oder Scham aufgrund der körperlichen Defizite überdecken kann. Wenn die Gefühle von Angst und Scham bei der betroffenen pflegebedürftigen Person zu groß sind, kann zunächst einmal nicht gegen ihren Willen eingeladen werden. Dann ist es gut, wenn die pflegenden Angehörigen die Initiative ergreifen und mit alten Bekannten, Familienmitgliedern, Kollegen oder gemeinsamen Freunden ein erstes Gespräch führen, damit das Angebot dann von dieser anderen Person selbst gemacht werden kann oder diese einfach als Überraschungsbesuch mal vorbeischaut.

ABER … das kann ich doch nicht verlangen, die haben doch alle selbst keine Zeit. Man will doch keinem lästig fallen. Die denken dann, ich schaff das nicht alleine. Ich brauche keinen! Ich kann das nicht ertragen, denn nichts ist so wie früher. … und oft ist die Angst vor einer Enttäuschung größer als das Bedürfnis nach Nähe und Austausch. Oder die Sorge, für andere nur eine Belastung zu sein, hält davon ab, einen Wunsch nach Kontakt zu äußern.

Wie sind Ihre eigenen Aussagen zu Ihrer Situation? Was hält Sie davon ab, den Kontakt aufzunehmen und zu welchen Personen möchten Sie gern eine Brücke schlagen, trauen sich aber nicht, danach zu fragen? Machen Sie eine Aufstellung, die Ihnen dazu einen Überblick verschafft. Was genau hält Sie ab?

Fragen Sie sich als pflegende:r Angehörige:r selbst: Was kann im schlimmsten Fall passieren?

Siehe oben …!

Manchmal sind angefragte Mitmenschen auch tatsächlich überfordert oder reagieren ablehnend – dies geschieht jedoch immer aus Gründen, die vorrangig etwas mit derjenigen Person selbst zu tun haben. Vielleicht sind sie gerade selbst in einer belastenden Situation oder haben Angst vor der nicht einschätzbaren Begegnung oder spüren Abneigung gegen eine Konfrontation mit Krankheit und Behinderung. Wichtig ist, dass eine Frage nach Begegnung oder eine Bitte um Kontakt immer mit der offenen Möglichkeit einer Zusage oder Absage geäußert wird, damit ein Freiraum entsteht, in dem eine ehrliche Antwort geachtet werden kann.

Wenn die Möglichkeit einer Absage von vornherein realistisch mit eingeplant wird, wenn die Angst und die Sorgen ehrlich geäußert werden, wenn die betreffende Person eingeladen und nicht verpflichtet wird, dann stehen die Chancen jedoch hoch, dass ein Kontakt gelingen kann.

Geben und Nehmen – Menschen möchten sich austauschen und mitteilen

Kann ich Hans mal fragen, wie es mit dem neuen Hund klappt und ihn bitten, meinen an Parkinson erkrankten Mann zu besuchen und mit ihm eine Runde spazieren zu gehen?

Ob ich wohl Frau Müller von nebenan einlade, so wie früher mal wieder einen Kaffee mit meiner im Rollstuhl sitzenden Ilse zu trinken, dazu ihre Fotos mitzubringen und von ihrer Reise zu erzählen?

Was wird wohl Mark dazu sagen, wenn ich ihn frage, ob er mit seinem dementen Opa einen Abend lang Mau-Mau spielen könnte und ob ich ihm dafür morgen seinen Korb Wäsche bügeln kann?

Diese oder andere Fragen dürfen gestellt werden. Wichtig ist eine klare Handlung, ein Zeitrahmen, ein persönliches Interesse an der anderen Person.

Frau Müller, Mark und Hans warten vielleicht nur darauf, dass eine konkrete Bitte geäußert wird, die ihnen Orientierung und Anleitung für eine gut zu realisierende Begegnung gibt. Und schließlich ist jede:r daran interessiert, auch etwas von sich zu erzählen, eine eigene Hilfestellung zu erfahren oder etwas aus seinem eigenen Alltag mit anderen zu teilen.

Mit wem können Sie welches Band neu knüpfen und was können Sie anbieten, wonach können Sie fragen, was interessiert Sie besonders an dieser Person? Schreiben Sie es auf und entwickeln Sie dazu Ihre kreativen Ideen.

Wieder Zeit für die eigenen Beziehungen

Wenn es gelingt, Kontakte für den pflegebedürftigen Menschen wieder herzustellen oder neu zu arrangieren, kann mit der Zeit auch Freiraum für eigene Begegnungen wieder oder auch manchmal ganz neu entstehen.

Manchmal haben pflegende Angehörige mehr Vorbehalte, wenn es um die eigenen sozialen Bedürfnisse und nicht um die der pflegebedürftigen Person geht. Sie gestatten sich nicht, einen Freiraum für sich zu nutzen. Falls ein Gedanke dazu aufkommt, haben sie viele Gründe es nicht zu tun.

Dafür gibt es vermeintlich viele Gründe (Gedanken):

  • Da bleibt mir ja dann doch nicht genug Zeit. 
  • Das nutz ich dann lieber mal, um in Ruhe da zu sitzen (was dann doch nicht geschieht, weil es ja immer etwas zu tun gibt). 
  • Da muss ich mich zu sehr anstrengen, um alles tipp-topp zu haben. 
  • Da muss die Margit ja herkommen und dann riecht sie, was hier los ist. 
  • Das nützt ja doch nichts, irgendwas kommt sowieso wieder dazwischen.

Letztendlich ist es wichtig, die eigene Wertschätzung und die Achtsamkeit für sich selbst und dem Pflegebedürftigen aktivieren zu können. Selbstsorge – ein wichtiger Faktor, um im Pflegealltag gesund zu bleiben und weitermachen zu können. Zur Selbstsorge.

Trauen Sie sich, aus der Einsamkeits-Falle auszubrechen. Sorgen Sie für sich, um gut für andere sorgen zu können. Pflegen Sie die Momente in Ihrem Leben, die Ihnen wieder Kraft und Mut zuführen, um für Ihre Angehörigen da sein zu können und selbst dabei gesund und lebensfroh zu bleiben. Dazu brauchen die meisten Menschen andere Menschen. Lassen Sie andere an Ihren Freuden und an ihren Sorgen teilhaben und Sie werden merken, dass es andersherum ebenfalls Bedürfnisse und Wünsche zu teilen gibt!!

Andrea Wild, Remscheid
Diplomverwaltungswirtin
Beratung für pflegende Angehörige in Familienzentren und Familienbildungsstätten
20 Jahre trägerunabhängige kommunale Pflegeberatung

Hinweis und link zur ZQP Broschüre:
Was bedeutet Einsamkeit und was können individuelle Auslöser sein? Und was sind gute Strategien, um die Menschen aus ihrer Isolation zu holen? All diese Fragen behandelt die Broschüre "Einsamkeit erkennen und handeln" der Regionalbüros Alter, Pflege und Demenz. Die hilfreichen Tipps und Informationen richten sich vor allem an nach NRW-Landesrecht anerkannte Anbieterinnen und Anbieter zur Unterstützung im Alltag gem. § 45a SGB XI, Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfer sowie ehrenamtlich tätige Personen, die ältere und pflegebedürftige Menschen im Alltag unterstützen.

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